Nachhaltigkeit ist in aller Munde – aber nicht unbedingt in allen Herzen: „Grün“ zu sein ist für einige Unternehmen zum Imagemerkmal und Verkaufsargument geworden. Das geschieht aus gutem Grund: Etwa 65 Prozent der Deutschen schätzt Umwelt- und Klimaschutz als „sehr wichtig“ ein, knapp 70 Prozent geben an, bewusster einzukaufen und zu konsumieren, um Nachhaltigkeit zu fördern. Doch nicht immer ist dort, wo nachhaltig draufsteht, auch wirklich nachhaltig drin. „Greenwashing“ nennt man dieses Vorgehen. Aber ist das wirklich so dramatisch? Und wie können Unternehmen tatsächlich grün werden, statt sich nur einen grünen Anstrich zu geben?
Rekordtemperaturen im Sommer und im Winter, schneeleere Skipisten mitten in der Saison, schmelzende Gletscher, schrumpfende Wälder – ohne zu alarmistisch klingen zu wollen, kann man sagen: Der Klimawandel steht nicht nur vor der Tür, sondern hat bereits mindestens einen Fuß zwischen Tür und Türrahmen geklemmt. Nachhaltiges Denken und Handeln sowie nachhaltiger Konsum haben vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren immens an Wichtigkeit gewonnen.
Das Thema ist so allgegenwärtig, dass inzwischen gefühlt die Mehrzahl der Unternehmen mit der Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Services wirbt; selbst solche Firmen, die man zunächst als nicht sonderlich grün eingestuft hätte. Begleiterscheinung dieser Bemühungen ist eine regelrechte Flut an Logos und Siegeln – vom eher wenig ambitionierten Bio-Logo der EU als kleinster gemeinsamer Nenner, über Fairtrade, Rainforest Alliance und Naturland bis hin zum besonders strengen, bisweilen gar spirituellen Demeter-Siegel. Dieser Fokus auf Nachhaltigkeit und die nachgewiesene, verkaufsfördernde Wirkung entsprechender Siegel, Zertifizierungen und Behauptungen führt allerdings auch zu einem Phänomen, das als Greenwashing bekannt und berüchtigt ist.
Was ist Greenwashing – und ist es wirklich so schlimm?
Greenwashing, auf Deutsch etwa so viel wie „Grünfärberei“, ist nicht immer einfach zu erkennen, aber relativ einfach zu erklären: Es beschreibt das Bestreben von Unternehmen, sich als „grün“, also als nachhaltig darzustellen, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht.
Viele Konsumenten verstehen unter Greenwashing lediglich das gezielte Aufstellen von Falschbehauptungen, beispielsweise eine Milchpackung mit einem Foto von glücklichen Kühen auf einer saftig-grünen Wiese, obwohl die Milch aus Massentierhaltung stammt. Tatsächlich ist diese gezielte Irreführung aber nicht die einzige Form des Greenwashings, denn es muss nicht aktiv gelogen werden: Auch wenn ein Unternehmen die Wahrheit sagt („Wir nutzen 100 % Ökostrom“), das eigentliche Kerngeschäft des Unternehmens aber nicht nachhaltig ist (das Unternehmen produziert mit dem Ökostrom bspw. Einwegplastikverpackungen), spricht man von Greenwashing. Und selbst dann, wenn die Unternehmensführung sogar selbst glaubt, nachhaltig zu handeln, aber mangels Recherche oder Hingabe in nicht nachhaltige Projekte investiert (z.B. CO2-Zertifikatehandel mit einem betrügerischen Unternehmen), kann man von Greenwashing sprechen. Ebenfalls beliebt für Greenwashing-Vorwürfe: sogenannte Werbung mit Selbstverständlichkeit. Der Hinweis „Ohne Kükentöten“ auf Eierpackungen erübrigt sich ebenso wie „FCKW-frei“ auf Deo-Sprühdosen – beides ist gesetzlich vorgegeben.
Die Frage, ob Greenwashing tatsächlich so schlimm ist, wie es medial (und vor allem in den sozialen Medien) oft präsentiert wird, muss jeder für sich selbst beantworten. Fest steht: Echte Nachhaltigkeit ist nicht nur erstrebenswert, sondern angesichts der klimatischen Entwicklungen schon fast der Imperativ. Fest steht auch, dass Greenwashing irreführend für Konsumenten ist. Das heißt aber zugleich nicht, dass Werbemaßnahmen mit Nachhaltigkeitsaspekt automatisch schlecht sein müssen: Einige Autobauer haben bereits angekündigt, schon früher als in der EU gesetzlich vorgegeben aus dem Verbrennungsmotor aussteigen und nur noch Elektrofahrzeuge produzieren zu wollen. Hier dürfte es sich zwar in Wirklichkeit um eine Frage der Wirtschaftlichkeit drehen – dennoch werden diese Ambitionen positive Effekte für den Klimaschutz mit sich bringen. Irreführend? Wahrscheinlich schon, ja. Und trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung.
Warum ist Nachhaltigkeit für Unternehmen so wichtig?
Nachhaltigkeit ist äußerst wichtig. Aber wieso? Ganz lapidar beantwortet: Weil es um unsere Zukunft geht – sowohl um unsere eigene als auch um die unserer Kinder und des gesamten Planeten. Ohne eine funktionierende Umwelt, ohne ein Ökosystem, das zumindest halbwegs im Gleichgewicht ist, verschwinden auch die Grundlagen unseres Wirtschaftens und unserer Arbeit. Den Wohlstand, den wir heute noch als selbstverständlich hinnehmen, wird es definitiv nicht mehr geben, wenn wir so weitermachen wie bisher.
Dieses Argument kommt kaum ohne Pathos aus – es ist aber nicht der einzige gute Grund für Unternehmen, nachhaltig zu handeln. Eine Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zeigte schon vor knapp fünf Jahren, dass Nachhaltigkeit sich lohnt – auch wirtschaftlich.
Damals gaben 50 Prozent der Verbraucher an, beim Kauf darauf zu achten, dass der Anbieter sozial und ökologisch verantwortlich handelt. Zudem konnte die Studie zeigen, dass nachhaltige Unternehmen eine um durchschnittlich 6 Prozentpunkte höhere EBIT-Marge haben als weniger nachhaltige Wettbewerber. Gleichzeitig sei bei Anlegern nachhaltiger Unternehmen zwar keine bessere Rendite zu erwarten, nachhaltige Unternehmen bringen aber auch keinen Renditenachteil mit sich. Sprich: Nachhaltigkeit hat viele ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile, aber so gut wie keine Nachteile. Sicherlich sind für nachhaltige Entscheidungen und Entwicklungen in Unternehmen meist erhöhte Anfangsinvestitionen notwendig – diese amortisieren sich aber meistens relativ schnell, vor allem bei Energieeffizienzmaßnahmen.
Wie können Unternehmen Nachhaltigkeit von innen heraus leben und kommunizieren?
Die wohl wichtigsten Bausteine für die Kommunikation unternehmerischer Nachhaltigkeit sind Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Ein ehrlich gemeintes Statement wie: „Diese Phase unseres Produktionsprozesses ist uns noch zu ressourcenintensiv. Wir arbeiten allerdings mit Hochdruck daran, die Produktion nachhaltiger zu gestalten“, ist ungleich sympathischer (und weitaus glaubwürdiger) als zu hoch gegriffene Versprechungen. Dann müssen Sie Ihren Worten allerdings auch Taten folgen lassen!
Ein weiterer Fehler, den viele Unternehmen machen: Sie setzen auf Kompensation statt auf Vermeidung. Greenwashing erzeugt häufig den Eindruck, dass der eigene Konsum nicht nur weniger klimaschädlich ist, sondern dass er das Klima sogar schütze. Das ist jedoch nur in den allerwenigsten Szenarien der Fall. Ziehen wir das Beispiel CO2-Kompensation heran: Das oberste Nachhaltigkeitsziel eines Unternehmens sollte Vermeidung sein. Wo der Einsatz von Ressourcen oder das Ausstoßen von Treibhausgasen sich nicht vermeiden lässt, sollte Reduktion das nächste Ziel sein; erst wenn auch dies nicht möglich ist, sollte über Kompensation nachgedacht werden. Schließlich erweckt Kompensation den folgenschweren Eindruck, dass man immer so weitermachen könnte wie bisher, solange die eigenen Emissionen nur kompensiert werden – nach dem Motto: „Ja, wir belasten zwar die Umwelt, aber immerhin zahlen wir dafür eine Art von kleine Strafe“.
Hinzu kommt, dass die Anbieter von CO2-Kompensationen teils nicht streng genug kontrolliert werden. So binden Aufforstungsprojekte in den Tropen zwar CO2 – aber nur so lange, bis der aufgeforstete Wald wieder abgeholzt wird und das Totholz wieder CO2 freisetzt und auch nur dann, wenn im richtigen Gebiet aufgeforstet wird. In diesen Fällen gilt wie bei allen Nachhaltigkeitsanstrengungen: Vermeiden, reduzieren, kompensieren – und wenn kompensiert werden muss, sollten Anbieter entsprechend recherchiert und geprüft werden.
Nachhaltigkeit kann so viel mehr als nur ein Buzzword sein: Voraussetzung dafür ist, dass sich die Nachhaltigkeitsbemühungen auch auf einer entsprechenden unternehmerischen Überzeugung gründen. Denn: Aus Überzeugung wird Haltung, aus Haltung wird Corporate Purpose – und der hilft nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit, sondern auch beim Gewinnen und Halten von Fachkräften, beim Aufbau der Markenbekanntheit und letztlich bei der Steigerung der Profitabilität. Neugierig? Mehr dazu erfahren Sie in unserem ganztägigen Seminar zum Thema: Mit Purpose zu einer sinnhaften Unternehmenskultur als Basis für Wachstum und Profitabilität
Divergenz zwischen Unternehmensstrategie und Nachhaltigkeitszielen vermeiden
Ehrlich und glaubwürdig sollten die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen sein – und das funktioniert nur, wenn es keine Divergenzen zwischen der Strategie des Unternehmens und seinen Nachhaltigkeitszielen gibt. Divergenzen zwischen diesen beiden Zielsetzungen bedeuten weniger Engagement seitens der Unternehmensführung und der Belegschaft sowie mögliche Konflikte beim Setzen von Prioritäten.
Erneuerbare Energien als eine der wirkungsvollsten Nachhaltigkeits-Entscheidungen
Vermeidung muss dabei noch nicht einmal schwierig oder teuer sein: Knapp drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Erzeugung und Bereitstellung von Energie. Schon im 1. Quartal 2020 hatten erneuerbare Energien erstmals einen Anteil von rund 50 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland. Warum also nicht auf erneuerbaren Strom umsteigen, der inzwischen hinreichend verfügbar ist, sich mit relativ geringem Aufwand sogar selbst erzeugen lässt und der perspektivisch immer günstiger werden dürfte?
Produkte regional beziehen und recyceln, wo es nur geht
Ein weiterer Punkt, der sich in fast allen Unternehmen auf die eine oder andere Art umsetzen lässt: Benötigte Produkte oder Materialien nach Möglichkeit regional beziehen. Das mag teurer sein, schont aber in direkter Konsequenz die Umwelt und stärkt die hiesige Wirtschaft. Damit einhergehen sollten auch Bemühungen, anfallenden Müll so umfassend wie möglich zu recyceln – das wiederum fällt leichter, wenn man von vornherein auf biologisch abbaubare Verpackungen setzt. Lokale Entsorgungsunternehmen sind dann oft gerne dabei behilflich, eine entsprechende Recyclingstrategie zu formen und umzusetzen.
Nachhaltigkeit nicht nur als Umweltschutz verstehen
Nachhaltigkeit ist mehr als ‚nur‘ Umwelt- und Klimaschutz. Nicht umsonst setzen sich die Nachhaltigkeitskriterien für Unternehmensbewertungen und Anlageprodukte aus den drei Punkten Environmental, Social und Governance (ESG-Kriterien) zusammen. Das soziale Engagement eines Unternehmens sowie die ethisch einwandfreie Führung des Unternehmens (Governance) zahlt vor allem auf die Mitarbeitergesundheit ein. Die geistige und körperliche Gesundheit heutiger und zukünftiger Generationen zu sichern, ist ein ebenso wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit wie der Umweltschutz – außerdem stärkt es die Mitarbeiterbindung, Mitarbeitermotivation und kann dabei helfen, neue Fachkräfte und Nachwuchstalente auf das Unternehmen aufmerksam zu machen.
Bereit sein, in die Zukunft zu investieren
In Nachhaltigkeit zu investieren, bedeutet nicht nur zusätzlichen Gedanken- und Personaleinsatz, sondern geht oft auch mit finanziellen Investitionen einher. Wenn Profitmaximierung die oberste und einzige Direktive eines Unternehmens ist, lassen sich die meisten Nachhaltigkeitsbemühungen ohnehin nicht in zufriedenstellendem Maße durchführen.
Hier ist es wichtig, zu verstehen, dass Nachhaltigkeitsinvestitionen in der Gegenwart vor allem zukünftigen Generationen zugutekommen – aber eben nicht ausschließlich: Scott Wilson, Direktor für ESG-Kriterien und Nachhaltigkeit beim Beratungsunternehmen Grant Thornton UK, erklärt: "Der Nachhaltigkeitsansatz eines Unternehmens kann als Stellvertreter für das Risikomanagement verwendet werden: Banken oder Private-Equity-Firmen werden bei der Entscheidung über eine Kreditvergabe oder eine Investition beispielsweise darauf achten, wie ein Unternehmen mit Umweltfragen umgeht“. Soll heißen: Führende Unternehmen investieren in Nachhaltigkeit nicht nur um der Nachhaltigkeit willen, sondern auch, um allen Stakeholdern zu zeigen, dass man den erforderlichen gesellschaftlichen und technologischen Wandel beschleunigen möchte; um den Mehrwert, den das Unternehmen erzeugt, zu schützen und auch für die Zukunft zu gewährleisten. Ein Fokus auf möglichst langfristige Wertschöpfung zeugt von unternehmerischer Weitsicht und der tiefen Überzeugung, das Richtige zu tun. Das wiederum erzeugt einen Vorteil gegenüber der weniger nachhaltig denkenden und handelnden Konkurrenz. Das bedeutet: Nachhaltigkeitsanstrengungen, die auf der Basis einer entsprechenden unternehmerischen Haltung und Überzeugung aufbauen, laufen bedeutend weniger Gefahr, in die Greenwashing-Schublade gesteckt zu werden – stattdessen bringt nachhaltiges Wirtschaften sogar Potenziale zur Steigerung von Gewinn, Profitabilität und Bekanntheit als Marke und Arbeitgeber mit sich.
Fazit
Corporate Greenwashing hat schon den ein oder anderen Shitstorm heraufbeschworen – und das wohl auch zu Recht: Zwar muss jeder für sich selbst beantworten, wie sehr er oder sie sich von leeren Nachhaltigkeits-Versprechen auf die Füße getreten fühlt. Allerdings steht fest, dass es sich dabei um irreführendes Verhalten handelt, mit dem nicht nur Kunden, sondern auch Mitarbeiter, Shareholder und das eigene Unternehmen betrogen werden – denn es geht um aller Zukunft. Nachhaltigkeit ist also alternativlos.
Dabei ist es ein Trugschluss, dass Nachhaltigkeit Geld kostet und letztlich nichts bringt. Echte Nachhaltigkeitsanstrengungen bringen auch echte Vorteile für Umwelt, Mitarbeiter und die Organisation selbst mit sich. Ein widerstandsfähiger Corporate Purpose, also eine treibende, sinnhafte Unternehmenskultur, deren übergeordnete Ziele sich aus mehr als aus bloßer Profitmaximierung zusammensetzen, erhöhen die Mitarbeiterbindung, Verbessern die Chancen im Recruiting, senden wichtige Signale an Stakeholder und steigern die Profitabilität von Unternehmen. Das gilt auch dann, wenn dieser Purpose sich beispielsweise auf eine nachhaltige Unternehmensführung und nachhaltiges Wirtschaften kontrolliert.
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