Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend verändert. Eine der wohl offensichtlichsten und grundlegendsten Veränderungen ist die vermehrte Nutzung von Videotelefonie. Ob in Sales, Fort- und Weiterbildung oder in der internen Kommunikation: Ohne Zoom, Teams, Skype und Konsorten geht gefühlt nichts mehr. Wir zeigen, welche Besonderheiten die Videotelefonie-Welle mit sich gebracht hat – und ob sie in Sales und Marketing eher förderlich oder hinderlich ist.
Stellen Sie sich einmal vor, wie Ihr Erleben der Pandemie ohne Webcam anders verlaufen wäre. Eins steht fest: Ohne die Vielzahl an Tools, die uns heute Videokonferenzen ermöglichen, wäre der Lockdown, der aktuell gefühlt die ganze Welt im Griff hat, um einiges einsamer gewesen. Zoom, Microsoft Teams, Google Meet oder Skype ermöglichen es uns, weiterhin zu kommunizieren, zu reden und zu lachen, uns zu verbinden und zusammenzuarbeiten.
Aber wie jede Medaille hat auch die Videotelefonie zwei Seiten. Viele Menschen berichten von Zoom Fatigue, also Zoom-Müdigkeit, die sich seit Beginn der Pandemie im Berufsleben breit gemacht hat. Digitale Meetings scheinen uns etwas mehr abzuverlangen als ein Treffen im ‚echten Leben‘ – aber stimmt das überhaupt? Und wenn dieses Phänomen tatsächlich existiert, was können wir dann dagegen tun?
Zoom Fatigue – ist Videotelefonie tatsächlich anstrengender als persönlicher Kontakt?
Während manche Personen mit der Notwendigkeit von Videotelefonaten offenbar besser zurechtkommen als andere, ist das Phänomen zumindest keine Einbildung. Viel zu viele Personen berichten von eigenen Erfahrungen, laut denen die Videotelefonie anstrengender ist als Gespräche von Angesicht zu Angesicht, ohne den Mediator Internet dazwischen.
Wissenschaftler der renommierten Stanford University wollen auch die Gründe dafür herausgefunden haben. Vier Faktoren seien ausschlaggebend für die Zoom-Müdigkeit, über die viele Arbeitnehmer klagen:
- Wir sind das Übermaß an Augenkontakt nicht gewöhnt.
Sowohl die Menge an Augenkontakt, die wir in Videochats haben, als auch die Größe der Gesichter auf Bildschirmen seien ungewohnt, argumentieren die Wissenschaftler. Während man in einem gewöhnlichen Meeting den Blick regelmäßig schweifen lässt, vom Sprecher in die Notizen oder einfach durch den Raum, schaut bei einem Zoom-Meeting jeder jeden konstant an. Auch die Zuhörer erfahren eine ähnliche Menge an ‚digitalem Augenkontakt‘ wie der oder die Sprecher. Noch dazu können Gesichter in Videocalls unnatürlich groß auf dem Bildschirm erscheinen. Wenn uns im nicht-digitalen Leben ein Gesicht so nah kommt, handelt es sich meistens um emotional intensive Situationen, beispielsweise Erlebnisse romantischer Natur oder ein bevorstehender Konflikt. Beides – der übermäßige Blickkontakt und die unnatürliche Größe der Gesichter, die wir sehen – ist anstrengend für unser Gehirn.
- Wir sehen uns ständig selbst.
Selbst diejenigen unter uns, die überdurchschnittlich lange Zeit vor dem Spiegel verbringen, sehen normalerweise nicht so häufig und so lange ihr eigenes Gesicht vor sich, wie das beim Videotelefonieren der Fall ist. Die eigene Reflexion über so lange Zeiträume zu sehen und zu beobachten, sei stressig und verlangt uns viel ab, argumentieren die Stanford-Wissenschaftler. Es hat außerdem erwiesenermaßen negative emotionale Auswirkungen, sich selbst zu lange im Spiegel zu betrachten.
- Videotelefonate schränken unsere Mobilität ein.
Obwohl die meisten Meetings in persona ebenfalls im Sitzen stattfinden, können wir uns dabei bewegen: Ein bisschen im Stuhl wippen oder sich drehen, uns dem jeweiligen Sprecher zuwenden, vielleicht sogar selbst sprechen oder etwas präsentieren. Im Videocall kommt es uns hingegen häufig so vor, als seien wir in der kleinen Box gefangen, die der Aufnahmebereich der Webcam darstellt. Wenn wir uns nicht so viel bewegen (können), wie wir es gewohnt sind, führt das zu Müdigkeit.
- Körpersprache erkennen ist schwieriger als sonst.
Der Inhalt dessen, was wir sagen, ist nicht alles. Große Teile unserer Kommunikation finden zwischen den Worten oder komplett nonverbal statt. Mimik, Gestik und Körpersprache in ihrer Gesamtheit sind in Videotelefonaten schwieriger zu verfolgen und nachzuvollziehen. Trotzdem versuchen wir es unbewusst – und das ist anstrengend.
Das können Sie gegen die Videotelefonie-Müdigkeit tun
Eine soziale Lern- und Arbeitskultur ist auch in Zeiten der Pandemie notwendig und glücklicherweise auch kein Ding der Unmöglichkeit. Nur weil die Kommunikation über Zoom, Skype und Konsorten stattfindet, findet sie trotzdem statt. Lernerfolge werden nicht unbedeutend, nur weil sie durch einen Bildschirm stattfinden – ganz im Gegenteil.
Wer einige Tipps beim Videotelefonieren beherzigt, kann die hier aufgezählten Gründe für die Zoom-Müdigkeit aushebeln und sich wieder auf das Was statt auf das Wie konzentrieren:
- Fenstergröße reduzieren und mehr Raum zwischen sich selbst und den Bildschirm bringen.
Reduzieren Sie die Fenstergröße des Programms, das Sie für die Videotelefonie verwenden. So sind die Gesichter der anderen nicht mehr übergroß dargestellt und der Augenkontakt wird nicht mehr als so intensiv wahrgenommen. Mit einer externen Tastatur statt der Laptop-Tastatur bringen Sie außerdem mehr Raum zwischen sich selbst und den Bildschirm. - Das Bildschirmfenster schließen, in dem Sie sich selbst sehen.
So umgehen Sie den ermüdenden Spiegeleffekt, der dazu führt, dass Sie sich ständig selbst ansehen. - Die Webcam anders positionieren.
Machen Sie sich einmal Gedanken darüber, wie Sie Ihre Webcam anders positionieren könnten. Nicht nur, um den Abstand vom Bildschirm zu vergrößern, sondern auch, um sich selbst die Möglichkeit zu geben, um beispielsweise aufzustehen und durch den Raum zu gehen oder ein bisschen in Ihren Notizen zu kritzeln – eben all die Dinge, die wir auch in einem normalen Meeting für uns beanspruchen würden, wenn wir nachdenken müssen. - Kamerafreie Pausen einführen.
Gerade in besonders langen Videokonferenzen sollten Sie gemeinsam mit allen Teilnehmenden kamerafreie Pausen einführen, in denen Sie die Webcam ausschalten und zumindest für fünf oder zehn Minuten nur noch via Audio am Meeting teilnehmen. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, noch aktiv am Meeting teilzunehmen, dabei aber den Körper vom Bildschirm wegzudrehen oder sich einfach mal kurz unbeobachtet zu fühlen. Einmal alle ein oder anderthalb Stunden sollte sich jeder Teilnehmer einer Videokonferenz fünf kamerafreie Minuten genehmigen dürfen. - Bewegung, Bewegung, Bewegung.
Langes Sitzen macht oft müde – und Bewegung fungiert als sehr guter Wachmacher. Achten Sie also darauf, sich zwischen Meetings zu bewegen, zu strecken und zu dehnen. Wenn es möglich ist, einen entsprechenden zeitlichen Abstand zwischen zwei Video-Meetings einzubauen, könnten Sie den Zeitraum für einen Spaziergang oder etwas Gymnastik nutzen.
Besonders gut funktionieren auch höhenverstellbare Schreibtische oder entsprechende Aufsätze für den Schreibtisch, die es ermöglichen, regelmäßig zwischen Sitzen und Stehen zu wechseln. - Nach Möglichkeit zum Telefon greifen.
Nicht jede Konferenz muss eine Videokonferenz sein. Wie wäre es, wenn Konferenzen in festgelegten Abständen rein telefonisch abgehalten werden? Das ist sicherlich nicht bei jedem Arbeitgeber möglich, aber wenn es sich einrichten lässt, bietet Ihnen das die Möglichkeit, beim Gespräch (oder auch beim Zuhören) ein wenig durch die Wohnung zu laufen und eventuelle Erschöpfung zu vertreiben.
Fazit
Es stimmt: Mehrstündige Videokonferenzen sind für viele Menschen etwas anstrengender als ein persönliches Meeting, weil sie bestimmte Grundfeste des menschlichen Miteinanders subtil verschieben. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bietet Videotelefonie jedoch ein überaus wichtiges – und aktuell größtenteils unumgängliches – Instrument für Kommunikation und Wissenstransfer.
Videokonferenzen und -seminare müssen jedoch nicht anstrengender oder weniger angenehm sein als ein Treffen von Angesicht zu Angesicht. Der Wissenstransfer über die Webcam kann auch effizient, spaßig und nachhaltig gestaltet werden, wenn man bestimmte Tipps beherzigt.
Zudem gibt es bei digitalen Seminaren oder Konferenzen auch dicke Pluspunkte, die wir uns regelmäßig vor Augen halten sollten: Es gibt keine Fahrtzeiten, keine lange Parkplatzsuche, keine Hotelübernachtungen. Zudem spart digitale Kommunikation Zeit UND Geld und ermöglicht jederzeit den Zugang zur besten Büroküche der Welt – nämlich der eigenen.
Auch in unseren Seminaren achten wir natürlich darauf, dass alle Teilnehmer eine Lernkultur vorfinden, in der sie sich persönlich und unternehmerisch weiterentwickeln können. Schließlich bedeuten Online-Seminare nicht gleich einen stundenlangen Frontalvortrag, sondern auch abwechslungsreiche Zusammenarbeit in Gruppen, die durch viele tolle Tools möglich gemacht wird. Wie so oft gilt: Die Mischung (aus Lernmethoden) macht's. Übrigens: Selbstverständlich beherzigen wir bei unseren Seminaren auch die Tipps aus diesem Beitrag – damit wir alle ohne Sorge und mit Freude zusammenkommen können.